Mit Axxis in das Jahr 2000


Chaos allen Ortens, als ich die Klingel zum XX-Studio drücke. Kuno öffnet. Erkennen kann ich ihn nicht, er findet den Lichtschalter nicht. Ein Trommeln klingt aus dem hinteren Teil des Gebäudes, ein sicheres Zeichen dafür, daß Richard in der Nähe ist. Aus dem Mischraum indes hört ich ein unschönes, englisches Wort, das mit „F" beginnt. Kuno grinst: „Ja, eigentlich wollten wir heute an einigen Gitarrensounds arbeiten, haben Unmengen an Verstärkern aufgebaut, nebst einer Latte von Effektgeräten, und dann schießen unsere Computerspezialisten das Programm ab."

Als ich den entsprechenden Raum betrete, hängen Bernhard und ein junger Mann mit Pferdeschwanz fasziniert vor dem Computermonitor, drücken abwechselnd verschiedene Ziffern und ab und zu mal ein „j" oder ein „n". Bernhard freut sich sichtlich, endlich etwas Ablenkung zu bekommen und stellt mir den jungen Mann mit Pferdeschwanz als neueste Axxis-Errungenschaft namens Guido vor. Angeblich versteht er sogar etwas von Computern, und nach dem er noch mal mit jemandem telefoniert hat und danach mit Bernhard noch etwa 20 Minuten lang verschiedene Ziffern- und Ja-/Nein-Kombinationen ausprobiert hat, drängt sich mir die Frage auf: „Guido, kannst du eigentlich wirklich Gitarre spielen, oder bist du nur hier, weil du was von Computern verstehst?" Ganz sicher ist sich der Neuzugang nicht. Irgendwann scheint sich dann herauszukristallisieren, daß sich der Treiber der nagelneuen Grafikkarte mit dem Aufnahmeprogramm beißt. Wobei mir nicht ganz klar ist, warum man für Textverarbeitung und ähnliches Niveau eine 3D-Karte braucht. Diesbezüglich angesprochen reagiert Bernhard, wie es jeder andere vernünftige Mensch auch tun würde: „Eigentlich hast du Recht. Ich weiß was! Ich baue meine ,Wurst-Karte' zu Hause aus und hier ein und dann hab' ich für zu Hause 'ne 3D-Karte. Cool, aber das kann ich alleine, geht ihr Interview machen..."

Kuno, Guido und ich verziehen uns in den Aufenthalts-/Kram-Raum, wo wir es uns bei einer Tasse Kaffee (Richard muß der Kaffee-Junkie sein, denn immer wenn er da ist, ist auch Kaffee im Hause Axxis vorhanden.) erst mal gemütlich machen. Mit „gemütlich" ist es für die beiden allerdings vorbei, als Guido sagt: „Dann schieß' mal los." und ich als erstes zwei Fragebögen nebst Stiften aus der Tasche ziehe. Das Ausfüllen derselben entpuppt sich zu einem Kraftakt ohnegleichen. Während Guido erst beim 6. Punkt, „Lieblingsessen", ins Schleudern kommt, hadert Kuno schon mit Punkt 4, der Größe. Kuno wundert sich, daß Guido zwischen 1,78 m und 1,82 m groß sein soll. „Ja, schließlich ist man morgens größer als abends..."; „Bei dir hat doch nur schon der altersbedingte Schrumpfungsprozeß eingesetzt!". Dem folgt eine Ausführung ähnlichen Kalibers, in denen es um Jeans geht, die beide zu Weihnachten bekommen haben, die zwar gleich sein sollen (zumindest nach den beiden), aber unterschiedliche Farben und Größen aufweisen. Schließlich sei Guido zwar größer, Kuno dafür aber dicker. Fällt mir nicht auf. Was mir jedoch auffällt, ist, daß Kuno eigentlich gar nicht Kuno, sondern Udo heißt. „Keine Ahnung, wie er dazu kommt, aber keiner nennt ihn Udo. Selbst seine Eltern sagen Kuno zu ihm." erklärt Guido. Der hat später noch Probleme, sein „Best album of all" zu benennen und versucht sich aus der Affäre zu ziehen, in dem er mir die Schuld gibt: „Boah, du, das ist echt schwer. Kannst du auf Anhieb dein Lieblingsalbum benennen?" Ich nicke.. „Ohne Axxis-Alben...????" Ich nicke immer noch: „Bryan Adams - Reckless." Guido gibt auf.

Die Frage nach dem liebsten eigenen Song wird dann mit einem gemeinschaftlichen „The way I feel" beantwortet. Offensichtlich ein Produkt aus einer früheren, gemeinsamen Schaffensperiode. Ebenso einig sind sich Kuno und Guido bei der Frage, womit sie früher ihr Geld verdient haben: „Geld? Was'n das?" Wie ähnlich sich die beiden wirklich sind, demonstriert die Antwort zum Punkt „Lieblingsband,-sänger(in)": Axxis und Bernadette Weiß. Langsam wird auch mir klar, warum die frühere Band der beiden „Circus" hieß . . .

Letzter Höhepunkt des Fragebogens ist die Beschreibung der Bandkollegen in einem Wort. In Anbetracht der Beschreibung früherer Vorkommnisse des heutigen Tages dürfte es klar sein, warum Kuno einen seiner neuen Bandkollegen als „technisch begabt" einstuft. (Wobei er übrigens seinen alten und neuen Bandkameraden als „sahnig" betitelte, was dieser mit einem „cremig" quittierte...).

Nachdem wir diesen Akt hinter uns gebracht hatten, wollte ich mich ernsteren Themen zuwenden und fragte, wie die beiden zu Axxis gekommen sind. Guido holt schon tief Luft, als ich ihn ausbremse: „Deine Story kenn' ich schon (und ihr hoffentlich auch schon), da ich kurz vor Weihnachten mit Harry gesprochen habe!" Nun kann Guido seine Luft doch verwerten: „Au Backe, was hat er denn erzählt?" Also noch mal: „Na ja, daß Kuno einen Gitarristen nach dem anderen angeschleppt hat, bis du dann eben dabei warst..."

Guido wendet sich entsetzt an Kuno: „Du hast was????? Wen hast Du denn da alles mit gehabt?" „Na, so alle möglichen, ich kenn' da doch einige...." entgegnet Kuno. „Außerdem hat Harry erzählt, daß die alle nichts gewesen sind." versuche ich Guido zu trösten, was den zu der Feststellung veranlaßt: „Er wird sich wohl gedacht haben ,Den Besten heb' ich mir für zum Schluß auf.'." Kuno beeilt sich natürlich, dies zu bejahen.

Also ist nun Kunos Geschichte d'ran: „Axxis hatten in der ,Gitarre und Baß' annonciert. Ich habe ein paar Mal bei ihnen angerufen, durfte dann endlich vorspielen. Danach haben wir mehrmals zusammen geprobt und irgendwann haben mir Bernhard, Harry und Richard eröffnet, daß ich bleiben sollte."

OK, beide kannten sich schon vorher, wie bereits erwähnt, hieß ihre Band „Circus". In Stereo erzählen mir die beiden, daß sie in und um Bielefeld, wo beide herkommen, ziemlich erfolgreich waren. Der Name war Programm, und so hatten sie einen etwa 12-jährigen Jungen dabei, der während der Show ein wenig Akrobatik und ein paar Zaubertricks zeigte. Nimmt man dessen Karriere als Vorbild, müßte es mit Axxis demnächst steil bergauf gehen, denn der ist, inzwischen volljährig, Tänzer bei Blümchen.

Bleibt noch zu klären, ob die beiden Axxis schon vorher kannten. Hier entwickeln sie sich zu einem Chor: „Klar, Mann, Axxis, ,Kingdom of the night'; ,Livin' in a world', damit sind wir aufgewachsen. Und als deutschen Band gehören sie zweifelsohne in den Vorbildkatalog eines jeden werdenden deutschen Hard-Rockmusikers!" Auf meine leicht verschämt eingeworfene und natürlich nicht ganz ernst gemeinte Frage, warum sie trotzdem eingestiegen seien, weiß Kuno als erstes Antwort: „Wegen der netten Fanclub-Leitung!" Der Schleimer, wenn der wüßte...

Mit meiner nächsten Frage will ich wieder ernster werden: „Was erwartest du, Guido, von deinem ersten Auftritt? Und was hattest du, Kuno, für Eindrücke von deinem ersten Auftritt?" Kuno antwortet wieder als erster: „Gute Laune und 'nen tolles Büffet." „Ey," meckert Guido, „sie hat mich als erstes gefragt. Also, die Antwort gilt natürlich für Kuno... Aber, laß' mich doch mal andersherum fragen: Was erwarten die Fans von mir?" Gute Frage, da ich natürlich nur für mich sprechen kann. „Laß' mich mal überlegen, hmm, als allererstes wohl neuen Schwung im Gitarrenspiel. So hoch sind meine Ansprüche da nicht. Außerdem vielleicht gute Laune..." „Und 'nen tolles Büffet..." ergänzt Kuno. Was vielleicht gar nicht so schwer ist, schließlich gibt Guido zu, daß eines seiner Hobbys kochen ist. „Gut, Guido, aber meine Frage ist damit noch nicht beantwortet." drängle ich. Guido muß überlegen: „Na ja, als erstes hoffe ich natürlich, daß die Fans mich akzeptieren und es mir nicht übel nehmen, daß ich da jetzt an Walters Stelle stehe. Und was Kuno sonst so erzählt hat: Party, gute Laune und . . . 'nen tolles Büffet?" Soviel zu der Ernsthaftigkeit dieses Themas. Auch die nächste Frage gibt Anlaß zur Heiterkeit. „Was macht ihr, wenn ihr nicht ,in Axxis' macht?" „Schlafen." ist die, wie immer einstimmige, Antwort. Beide hocken also offensichtlich zu Hause mit ihren Instrumenten vor der mit Axxis-CDs bestückten Stereo-Anlage und üben Axxis-Songs. Vorausgesetzt, sie werden nicht im Studio gebraucht. Guido gibt als erster zu, daß er noch Zeit zum Fernsehen, für Videospiele und seinen Computer hat. Letztendlich pflichtet Kuno ihm bei. Beide bedauern allerdings auch wieder, daß sie nichts Aufregenderes, wie zum Beispiel Bungee ohne Seil, als Hobby anführen können.

Richard kommt herein und unterbricht unsere fröhliche Runde. Stören will er nicht (Er wird dessen, aus Prinzip, natürlich direkt beschuldigt.), aber mir fällt auch nichts mehr ein, was ich fragen könnte. Also heben wir unsere Runde für dieses Mal auf.

Gruß
Eurer Jenny