Axxis / Kamelot / Cyberia
von Klaus Reckert
Köln, Live Music Hall
24.01.2002
Die Stilarten Power- sowie Melodic Metal sind derzeit nicht gerade so angesagt wie Britney Spears Körbchengröße, das war an diesem Abend trotz Abteilung der Kölner Live Music Hall nur allzu spürbar. Sowas an die 250 Getreue hatten sich zu diesem zumindest zweifach schlicht genialen Package eingefunden, um das Gebotene dafür aber nur um so begeisterungsfähiger abzufeiern.
Auch wenn das im Falle der Wuppertaler Cyberia einfach nicht so leicht fiel,
wie bei den beiden relativ höchstklassigen Folgebands. Auf der Positivseite
ist zu vermelden, daß erstens Cyberia ja überhaupt nur kurzfrustig
für Silent Force auf diese Tour aufgesprungen waren, daß zweitens
der "Cybermetal" des Quintetts um Gitarrist Oliver Lux live jedenfalls um
Einiges besser rüberkommt als von Konserve und daß die Band drittlich
ausgesprochen sympathisch rüberkommt, auch wenn man ihnen eben von Herzen
wünschen würde, nicht auf einer Bühne mit Musikern agieren
zu müssen, deren Musik sich zu ihrer etwa so verhält, wie Single
Malt Whisky zu, nein, nicht wie Batteriesäure, aber wie zu dem Zeugs,
womit Euch Euer
Zahnarzt immer für Stunden geschmacksunfähig macht.
Mit Stücken wie "Minstry Of Tech", dem nicht vom wenig nuancenreichen
Sänger Paul Dahlmann, sondern von Mastermind Oliver Lux inclusive Death
Metal-Gegrunze dargebotenen "Since I Loved You", dem noch am ehesten hymnischen
"Invisible" sowie abschließend "2000 Years" und "Digital Heroes" vergingen
die knapp 40 cyberischen Minuten doch relativ kurzweilig.
Die Nebel von Ava... Kamelot!
Was für ein Unterschied! Kamelot zählten seit Gründung im
Jahr '91 stets zu den melodischsten und eigenständigsten Bands im ganzen
Metal-Erzgebirge. Und es ging auch wirklich ein Ruck durch die immer noch
spärliche Kamelotengemeinde, als nach dem majestätischen Intro
die Melodiesturmflut "The Fourth Legacy" über sie hereinbrach und sich
durch den heute überaus reichlich vorhandenen Kunstnebel die bemantelte
Gestalt des charismatischen Sängers Roy Khan abzuzeichnen
begann. Letzterer hatte sich wohl etwas zu wenig eingesungen, jedenfalls
kieksten bei den ersten zwei Stücken die Höhen noch ein wenig,
was aber spätestens ab dem sehr wundervollen "The Spell" kein Thema
mehr war - im Gegenteil. Worauf das gleichfalls vom aktuellen Album Karma
stammende "Wings Of Despair" folgte, das Stück, mit dem sich Kamelöt
in den letzten Wochen derartig in des Rezensenten Ohren festgelötet
hat, daß an diesem Konzert nun wirklich kein Weg vorbei führte.
Ein sanftes Intro sowie der vor allem optisch enorm spannungsreich inszenierte
Ansatz eines Drumsolos leiteten nun über zu "Nights Of Arabia", was
jedem, der wie wir etwa kürzlich in arabischen Gefilden gewesen war,
tatsächlich an diese zauberische Morgenlandwelt erinnern kann. Die
Gänsehautballade "Don't You Cry" ließ die anwesenden Mädels
teilweise schluchzen, die Jungs (um sich nichts anmerken zu lassen) nach
den Feuerzeugen kramen und Sänger Khan auf eine PA-Box klettern, von
wo er die enorm anspruchsvollen Kopfstimmenpassagen dieses durch &
durchgehenden Tearjerkers zum ergriffenen Publikum hinabschickte. Das Teil
ist dem verstorbenen Vater von Gitarrist und Bandgründer Thomas Youngblood
gewidmet und man merkt doch sehr, daß das keine Pose ist. Der Klassiker
"The Call Of The Sea" leitete dann nach einfach köstlichen 60 Minuten
leider schon zur Zugabe über und beendete ein Konzert, das außer
vielleicht dem Fehlen des traumschönen "A Sailorman's Hymn" keinerlei
Wünsche überließ.
Derwische, Sympathiebolzen und Achsenmächte
Axxis, das deutsche Metal-Wunder von '88, schwerarbeitende Sympathieträger
des Melodic Metal aus Dortmund, fuhr nun auf dem solcherart optimal vorbereiteten
Boden einen Totalsieg ein. Das komplette Programm der Tour und damit auch
des heutigen Abends war per Poll auf der Band-Homepage völlig
basisdemokratisch von den Fans zusammengestellt worden, wie Sänger Bernhard
Weiss es formulierte: "Wenn's Scheiße wird, müßt Ihr Euch
an die eigene Nase fassen". Nach einem furiosen Intro und Opener ging's gleich
mit dem ebenso
prächtigen "When The Sun Goes Down" weiter, bevor Sänger,
Zappelphilip, Entertainmentwunder und Ziegentenor Weiss sich auf das Publikum
stürzte und als erstes ankündigte, der heutige Abend werde mal
etwas "peinlich" werden, worauf er in eine Diskussion des Mirakulums einstieg,
warum Heavykapellen eigentlich immer lange Haare haben (sollen), ihr Publikum
mit fortschreitendem Alter aber diesbezüglich immer weniger zu bieten
hat. Was binnen Kurzem in einem lebhaften Austauschen von Haarpflegerezepten
auswuchs: "Spliss? Fencheltee hilft!" Während das Publikum sich noch
von diversen Lach- und Atemluftwegbleibattacken zu erholen versuchte,
gönnte Achsenmacht Axxis aber kaum eine Atempause mit dem ausnehmend
schönen "Brother Moon", gefolgt vom ruhigen "My Little Princess" -
überhaupt überwogen beim heutigen (Wunsch-)Konzert die Balladen.
So denn auch "Stay, Don't Leave Me" sowie das Aphrodite's Child-Cover "The
four Horsemen". Die versprochene "Peinlichkeit" kam bei einem längeren
Audience Participation-Block zum Tragen, als nämlich zwei
Publikumsmitglieder auf die Bühne gezerrt und unter Heliumeinfluß
zum Absingen von Axxis-Hits animiert werden konnten. Klingt zugegeben derb,
war aber zum Schreien komisch. Ansonsten Hits, Hits, Hits. Wie "Touch The
Rainbow", "Living In A World (Of Shame And Glory)" bis hin zu "Little Look
Back" und natürlich "Kingdom Of The Night", mit dem diese Zusammenrottung
von Sympathiebolzen bereits '89 die Metalwelt verblüfft hatte. Mit dem
Steam-Cover "Na Na Hey Hey (Kiss Him Goodbye)" entsandten die Dortmaulhelden
nach melodietrunkenen anderthalb Stunden ihr Publikum dann schwerst
ohrwurmverseucht in die Restnacht. Ehrlich: Noch NIE habe ich während
und nach einem Rock-Konzert so viele Menschen grinsen, lächeln und strahlen
sehen.
Wir möchten uns bei
www.gaesteliste.de
- Das Internet Musikmagazin für diesen Beitrag bedanken
!!
Axxisworld
Zum nächsten Review ( Nürnberg/Hirsch)